Der Hersteller Irwin-Pedersen hatte schon mit seiner ersten Serie von 112520 Waffen Probleme mit der U.S.-Ordonanzbehörde, da sie nicht vertragskonform hergestellt und somit nicht an die US Army ausgegeben wurden.
Saginaw (Code S.G.) aus Saginaw, Michigan, übernahm die Endmontage in seiner Zweigstelle in Grand Rapids. Hierzu wurden in Masse vorhandene Teile aus eigener Produktion, aus IP-Produktion sowie von den üblichen Zulieferern verwendet.
Noch ohne Codierung vorhandene IP-Bauteile, die dem strengen Maßstab der Ordonanzbehörde standhielten, wurden S´G´codiert und verwendet.
Nach der zweiten Abnahmeverweigerung der U.S. Ordonanzbehörde wurde IP aus dem Vertrag genommen. Saginaw S.G. übernahm diesen und richtete das Zweitwerk Saginaw Grand Rapids (S´G´) für die Produktion ein.
Bei meinen persönlichen Schusstests begleitet mich diesmal meine neue:
US 30M1 Carbine, Cal. .30 Carbine, Hersteller Irwin Pedersen / Saginaw Grand Rapids, Herstellungszeitraum Mai 43 - Jan.44, aus einer Serie von 37500 Stück (Serial# 3212520 – 3250019).
Hinter meiner kriminalistischen Kleinstarbeit verbirgt sich das Problem, aus den meist schlechten Fotos der online angebotenen Waffen Abschnitte herauszukopieren, sie zu vergrößern und mit viel Fantasie sowie unerschütterlichem Mut zum Restrisiko die Seriennummer zu entziffern.
Nur knapp 1,3% der gesamthergestellten 30M1 tragen den Aufdruck SAGINAW S´G´.
Aufgrund meiner bis dahin durchgeführte Recherchen auf der Suche nach einem S´G´ M1, bekam ich den Eindruck, dass ein Großteil von S.G. und S´G´ codierten Waffen als Aufbauhilfe in Europa geblieben waren und somit offensichtlich nicht zurück zur Überarbeitung in die USA gesandt wurden. Auch wäre es m.E. eher unwahrscheinlich, dass diese 30M1 in Belgien, bei FN, überarbeitet wurden.
!!!ABER!!! Ich habe es oft genug in meinen Threads geschrieben:
„Jede einzelne der US 30M1 Carbine ist immer und überall für eine verdammte Überraschung gut“
Ist meine Rechnung aufgegangen? Schauen wir uns diesen US 30M1 Carbine „Right out of the (Post) Box“ einmal an und finden es heraus.
Im Besitz einer Aufzeichnung, die alle verbauten Teile dieser Waffe aus dieser Serie abbildet, mit Hersteller und Codierungen, die sich exakt auf diese Waffennummer beziehen, zerlege ich nun diesen 30M1, nehme Teil für Teil unter die Lupe und erstelle eine Soll/Ist Liste….
Zerlegt in seine Einzelteile liegt die SAGINAW S´G´ nun vor mir. Hingesprüht wie morgendliche Tautropfen auf einer Rosenblüte, und jeder dieser einzelnen Tropfen birgt ein Geheimnis, so tief wie ein marokkanischer Ziehbrunnen nach biblischer Dürre. Der versierte Beobachter kann an unverkennbarer Mimik meine Gedanken lesen:
….ach du Scheiße… hier hat der Derwisch sein Unwesen getrieben….
Schon beim Zerlegen der Waffe habe ich, wissend welche Teile in Masse verbaut sein müssten, einen Blick auf diese riskiert. Hier stimmte so gut wie gar nichts...(Bild 2).
Lediglich der Lauf, Verschlussgehäuse (Receiver) und Ladehebel entsprachen noch ihrem Ursprung (Bild 3).
Sollte ich also mit meiner Recherche völlig falsch gelegen haben, sind die Aufbauhilfe-Waffen doch wieder zur Generalüberholung in die USA zurückgeschickt worden?
Da gibt es noch den Schaft, der uns einiges zu sagen hat (Vorausgesetzt es ist immer noch der, der ursprünglich verbaut war oder nachweislich ausgetauscht wurde.) Der vor mir liegende Schaft erwies sich aber als äußerst schweigsam (Bild 4).
Am Hinterschaft verbirgt sich zwar eine kaum wahrnehmbare Botschaft. Ansonsten aber weist dieser Schaft vorerst keine weiteren Codierungen auf. Es könnten sich aber noch welche im Schaftdurchbruch befinden.
Der Handschutz kann der Originalversion dieser S´G´ nicht zugeordnet werden.
Das P, ohne Kreis oder Quadrat, auf dem vorderen Teil des Griffstückes weist eine Inspektorenmarke der U.S. Army Ordonanzbehörde, und somit auch den durchgeführten, kompletten Neuaufbau der Waffe, nach.
Was die grausamen, chirurgischen Eingriffe nach Kriegswaffenkontrollgesetz angeht, so liegen hier die kaum verwischbaren Spuren eindeutig vor (Bild 5).
1.Der Schaft (fig.1a,1b):
Um der Waffe den Anschein zu nehmen, dass es sich um eine Kriegswaffe handelt, musste der Schaftdurchbruch verschlossen werden. Mit welchen Mitteln auch immer. In vielen Fällen wurden, nach Aufhebung der KWKG-Einschränkungen für die 30M1, die Schäfte in ihren ursprünglichen Zustand zurückgebaut (Habe ich inzwischen auch gemacht, um nachzusehen, ob sich dort irgendwelche Codierungen befinden... natürlich Fehlanzeige).
2. Der Magazinschacht (fig.2a bis d):
Damit keine Originalmagazine, egal welcher Kapazität, mehr in die Waffe eingeführt werden können, wurde hier ca. in der Mitte der Zuführungsnut ein Schweißpunkt gesetzt.Bedeutet, dass die Magazinfalz des Originalmagazins nur noch bis zum Schweißpunkt eingeschoben werden konnte und sich somit weit vom Zuführungsmechanismus der Waffe entfernt befand.
Um ein Magazin zu laden, musste also der obere Teil dieser Falz bis etwas über die Mitte des Magazinschachtes entfernt werden, um so ein solches wieder in die Waffe zu bekommen.
Auf dem Markt wurden zu diesem Zeitpunkt 3, 5 und 15 schüssige Magazine, mit geändertem Falz angeboten.
Dieser Schweißpunkt an meiner Waffe wurde, wenn auch nicht mit besonderer Sorgfalt, so bearbeitet, dass jetzt die Zuführung jeglicher noch erlaubter Magazine möglich ist.
30M1, die mit dieser Sperre versehen waren, wurde i.d.R. unter dem Lauf mit einem Stempel: „5 Schuss“ versehen. Sie konnten nun für den Sport oder die Jagd eingesetzt werden.
Man kann im abgebildeten Magazin am Zubringer eine Kante erkennen (fig. 2c). Im Gegensatz zu den originalen WKII-Magazinen wird bei diesem Magazin der Verschluss nach dem letzten Schuss über diese Kante gefangen, während bei den Originalmagazinen der Verschluss nach dem letzten Schuss die Kammer wieder verschlossen hat.
Der Vorteil der Magazine ohne Verschlussfang liegt klar auf der Hand. Sollte ein Schütze im Verlauf einer Kampfhandlung Stellungswechsel in staubigem oder matschigem Gelände durchführen, bilden Verschluss, Magazin und Patronenlager immer eine geschlossene Einheit.
Bei den Magazinen mit Verschlussfang ist das nicht so. Ferner, wenn man nach Verschlussfang das Magazin wieder aus der Waffe zieht, schließt sich der Verschluss wieder.
Der erneute Ladevorgang ist dann gleich mit dem des verschlussfanglosen Magazins.
3. Der Verschluss in Kombination mit der Verrieglung der Waffe (fig.3a bis d):
Es sollte auch verhindert werden, dass ein Originalverschluss für die Waffe eingebaut werden konnte. Somit wurde die linke Verriegelungswarze des Verschlusses durch Abschleifen verkürzt und von der linken Verschlussgehäuseseite auf Höhe eben dieser abgeschliffenen Verriegelungswarze ein Bolzen bzw. Schweißpunkt angebracht.
Jetzt ragte dieser Bolzen in die Waffe und ein unveränderter Originalverschluss konnte nicht mehr eingebaut werden, weil die linke, nicht veränderte Verriegelungswarze nun auf den hineinragenden Bolzen stieß.
Das verhinderte, dass der Verschluss das Patronenlager verriegelte und bewirkte, dass die Patrone nur zu 2/3 zugeführt werden konnte. Somit kam es unweigerlich zu einer Ladehemmung.
Von außen war meist nur eine unscheinbare, kleine farbliche Veränderung zu erkennen, die darauf hinwies, welches Schicksal diese Waffe erleiden musste (fig.3a).
Der Receiver auf diesem Bild weist noch eine Besonderheit auf, eine Bohrung in der linken Rahmenseite, kurz vor dem Ende unterhalb der Visierbefestigung (fig. 3e).
Diese Bohrung findet man ausschließlich an Irwin-Pedersen Receivern. Eine nicht vertragsgerechte Bohrung, die bei der Endmontage das Anbringen der einzelnen Bauteile erleichtern sollte.
Aus Sicht der Ordonanzbehörde schwächte die Bohrung den Receiver in seiner Stabilität.
Aber offenbar war das aber nicht der Grund, dass die Waffen in Gänze nicht abgenommen wurden.
Denn offensichtlich hat Saginaw eben diese schon oder noch vorhandenen Receiver aus IP-Herstellung weiterverwendet.
3. Das Korn:
Um der Waffe auch die Möglichkeit der schnellen Zielaufnahme zu nehmen, wurden die seitlich am Korn befindlichen Kornbacken abgeschliffen. Das Korn an dieser Waffe wurde aber inzwischen durch ein originales Korn ersetzt.
4. Der Lauf:
Um den Lauf nicht austauschen zu können, wurde dieser mit dem Verschlussrahmen verschweißt. Das hatte u.a. die Folge, dass der Ladehebel beim Ladevorgang nicht mehr in voller Länge in seine Spannfunktion zurückschnellen konnte. Er stieß auf seinem Weg nach hinten dabei auf den ca. 5mm starken Schweißpunkt und wurde somit vor dem Anschlag an den Verschlussrahmen gestoppt.
Aber dieser Eingriff wurde wohl nicht in aller Konsequenz durchgeführt, denn an dieser Waffe sind keine Spuren davon zu sehen.
Bleiben noch ein paar Stempel auf dem Lauf
Zum einen der schon erwähnte 5 Schuss Stempel (fig.4a), in diesem Fall von Frankonia Waffen Würzburg eingeprägt, sowie das Beschusszeichen, Mellrichstadt Juli 96 (fig.4b). Es ist anzunehmen, dass alle KWKG konformen Veränderungen an dieser Waffe durch Frankonia durchgeführt wurden.
An der Oberseite der Laufmündung befindet sich der Original-Herstellerstempel des Laufes. In diesem Fall zur Waffe passend von Underwood Elliot Fisher 3-43 und der Flaming Bomb (fig.4c).
Es befinden sich zusätzlich noch zwei Prüfstempel (Proof Mark) P auf dem Lauf (fig.4d). Deren Zustandekommen kann ich mir nur so erklären, dass der Lauf bei Irwin Pedersen verbaut und geprüft wurde und nach Fertigstellung der aber als zuvor fehlerhaft eingestuften Waffe diese erneut geprüft wurde.
Und zuletzt das, war mir von allem das Wichtigste war, der Receiver-Aufdruck:
Saginaw S´G´
Beim Schusstest verwendete ich meine wiedergeladene Munition. Für mich stellte das Herstellen der .30 Carbine Patronen ein unglaubliches Problem da. Es hat quasi fast das ganze Jahr gedauert bis ich eine für alle Waffen funktionierende Laborierung erstellt hatte.
Die größten Probleme waren immer wieder Störungen beim Auswerfen der Hülse. Manchmal ließ sich nach dem Schuss der Verschluss der Waffe nur noch mit Gewalt öffnen… usw. usw….
*Meine Laborierung jetzt:
Hülse: MagTech
Zünder: CCI SR
Geschoss: H&N PbCu, 110 grain, / ´Diameter .308
Pulver: N 110, 12,5grn
OAL: 41,60mm
*Ladedaten ohne Gewähr, nachlaborieren auf eigene Gefahr!!
Da ich das Visier zum Überprüfen des Stempels auf dem Systemkasten heruntergenommen habe, musste ich die Waffe natürlich erstmal wieder auf die Scheibe bringen.
Beim Rückbau des Visiers habe ich dieses aber wieder genau auf den vorhandenen Punch Marks gesetzt, um einigermaßen den originalen Treffpunkt wieder zu beleben.
Schusstest:
Entfernung 50mtr., sitzend aufgelegt, drei Schussgruppen a´ 5 Schuss, nach jeder Schussgruppe das Visier nachgerichtet.
Schussgruppe 1 rot, Schussgruppe 2 orange, Schussgruppe 3 grün.
Ich war vor dem Test fest davon überzeugt, dass die Veränderungen nach KWKG am Verschluss kein vernünftiges Trefferbild mehr zulassen würde.
Tja… (Bild 6).
Bleibt als letztes noch die Vervollständigung meiner Laufhülsenstempel. Interessant ist, dass alle Stempel, obwohl mit der gleichen Botschaft, sich voneinander unterscheiden (Bild 7).
Persönliches Fazit:
Ich hatte niemals vor mir einen 30M1 zu kaufen, der gem. KWKG geändert wurde. Aber nach so vielen Monaten der ergebnislosen Suche nach einem Saginaw S´G´, musste ich meinen Vorsatz aufgeben und die sich bietende Chance zu nutzen.
Zuvor hatte ich viel zu hohe Erwartungen an die Originalität dieser Waffe gestellt, viel höher als an all die anderen 30M1, und meine Enttäuschung war anfänglich unglaublich groß.
Natürlich kann man sich alles schönreden. Aber es war trotzdem interessant einen solchen US Carbine, jeglichen Stolzes beraubt, zu untersuchen, Recherchen durchzuführen und die Ergebnisse dann zu dokumentieren.
Ich habe ihn komplett zerlegt, wie alle meine 30M1. Alle Teile, Ecken, Kanten, Löcher, Lauf und den Schaft gereinigt. Und ganz ehrlich, es war genauso aufregend und spannend, wie bei allen 30M1 die ich vorher begutachtete.
Schlussendlich sind die Änderungen nach Kriegswaffenkontrollgesetz auch ein Teil der Geschichte dieser 30M1, sowie ein Teil der deutschen waffenrechtlichen Geschichte.
Beim Schießen mit dieser 30M1 konnte ich keinen Unterschied zu meinen anderen 30M1 feststellen. Ganz im Gegenteil, die Saginaw aus Grand Rapids schießt besser als die meisten meiner 30M1 Carbine.
Somit wird auch diese US 30M1 Carbine ihrem Ruf gerecht, alles auf den Kopf zu stellen.
Dieser Saginaw Carbine hat sich 1943 aus Grand Rapids, MI, auf den Weg gemacht, um nach ihrer 80 Jahre andauernden Reise endlich in meiner Sammlung anzukommen (Bild 8).
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