nachdem ich es ja bereits letztes Jahr angekündigt hatte, habe ich endlich etwas Zeit gefunden eine ausführliche Anleitung zu schreiben, wie man sich eine Elektrolyse selber bauen kann.
Jeder kennt sicher das Problem: man hat irgendein rostiges Teil, am besten noch in so einer abartigen Form, bei dem reguläre Entrostungsmethoden sehr zeitaufwändig oder mühselig sind. Oder ihr habt ein Teil, dass möglichst nicht mechanisch bearbeitet werden soll. In beiden Fällen eignet sich die Elektrolyse prima und die kriegen selbst Handwerkslaien wie ich gebaut ohne sich dabei in die Luft zu jagen. Zumindest nicht, wenn man sich an einige Spielregeln hält, die ich im Folgenden erläutern möchte. Garantie übernehme ich dennoch keine, ausprobieren auf eigenes Risiko!
1. Was ist eine Elektrolyse und wie funktioniert sie?
Bei einer Elektrolyse wird mittels Strom eine chemische Reaktion herbeigeführt. Eine geringe elektrische Ladung wird durch das zu behandelnde Metall geschickt und regt den Ionenaustausch an, vorausgesetzt das Werkstück befindet sich in einer elektrolytischen Lösung. Der Prozess ist mit die schonenste Möglichkeit, um Lack, Farbe oder Rost von Metallen zu entfernen. Die Chemifreaks unter euch erfahren mehr zur genauen chemischen Abfolge bei Wikipedia.
Da der MFD meiner Saiga MKR etwas mitgenommen ist und gerne mal Flugrost ansetzt, wenn man die Diva nicht sofort nach dem Ausgießen mit heißem Wasser abtrocknet, habe ich beschlossen, dem eine neue Beschichtung zun geben. Vorher muss aber erstmal der angeschlagene alte Russenlack ab. (Bild 01 + Bild 02)
2. Was braucht man für eine eigene Elektrolyse?
Folgende Materialien sollte man zur Hand haben:
- 1 großer Eimer oder ein anderes Kunststoffgefäß (nichts aus Metall, schließlich arbeiten wir mit Strom!)
- 1 Stahlteil (Edeltstahl ist besser), dass als "Opferanode" herhalten kann und im Verlauf der Elektrolyse zersetzt wird
- 1 Autobatterie-Ladegerät mit mindestens 2 Ampere und wenn möglich mit Amperemeter (meines hat 6 Ampere, das ist auf jeden Fall ausreichend, auch bei größeren Gefäßen und Werkstücken)
- etwas Backpulver oder Natron
- Kupferdraht (falls vorhanden)
- mehrere Liter Wasser
- Handschuhe
- Seife, Spülschwamm, Bürste (für die Vorreinigung)
- Messingdrahtbürste
Vor der Elektrolyse müssen die zu behandelnden Werkstücke von Öl und Schmutz befreit werden! Dazu die Teile mit Seife (oder Spüli) und warmem Wasser gründlich reinigen. Bei dreckigen oder öligen Teilen funktioniert die Elektrolyse nicht besodners, da durch die Schmutz- bzw. Ölschicht der Kontakt zum eigentlichen Metall blockiert wird.
Wichtig: Nur reine Metalle dürfen in die Elektrolyse! Also kein Messing oder andere Legierungen! Bei diesen ist die Elektronemigration durch die verschiedenen Metalle unterschiedlich. Bei einem Messingwerkstück werden z.B. erst die Zinkanteile gelöst, da sie unedler als das Kupfer in der Legierung sind. Die Folge kann eine porige Oberfläche oder gar eine komplette Strukturschwäche des Werkstücks sein! Wer also ein altes Bajonett mit Messingbeschlägen hat, sollte das tunlichst NICHT in die Elektrolyse legen!
3. Wie baue ich das nun zusammen?
a) Den Eimer mit Wasser füllen. Je nachdem welche Form und Größe er hat, braucht man mal mehr oder weniger. Die Opferanode sollte möglichst komplett im Wasser sein, das zu behandelnde Werkstück auf jeden Fall. (Bild 03)
b) Da die Elektrolyse ohne elektrolytische Lösung nicht funktioniert, müssen wir die noch herstellen. Zuerst aber Handschuhe anziehen, denn die Lösung ist nicht gerade hautfreundlich! Für die Neugierigen: eine bereits benutzte Lösung kribbelt etwas, wenn man ohne Handschuhe reinlangt --> nicht zu empfehlen, vertraut mir!
Das Natron in's Wasser einrühren. Wer kein Natron zu Hause hat kann auch Backpulver nehmen (das enthält Natriumhydrogencarbonat und geht genauso). Wer von beidem nicht genug da hat kann beides auch mischen. Für einen 10 L Eimer braucht man ca. 2 Esslöffel Backpulver oder Natron. Aber so genau muss das nicht sein, etwas mehr oder weniger ist auch nicht schlimm! Das Wasser hat nun eine leicht milchige Farbe. (Bild 04)
Wichtig: Theoretisch kann man auch Kochsalz als Elektrolyt nehmen, dadurch entsteht aber Chlorgas! Da das saugiftig und somit gefährlich ist, bleiben wir lieber beim Backpulver oder Natron!
c) Das Stahlteil (die Opferanonde) in den Eimer hängen. Ein Edelstahlteil zersetzt sich langsamer und ist daher besser geeignet. Man kann aber eigentlich jedes beliebige Stahlteil benutzen, solange die Oberfläche möglichst groß ist. Ich benutze einen alten Edelstahl-Kochtopf. Flache Teile wie der Topfdeckel wären noch besser geeignet, aber der war im Gegensatz zum Topf nicht kaputt und den durfte ich daher nicht Zweckentfremden ohne mir Ärger einzuhandeln (nochmal Bild 04).
d) Das zu behandelnde Werkstück in den Eimer hängen. Ich nehme dafür einen Kupferdraht. Den kann man prima um das Werkstück wickeln und es so ganz in den Bottich tauchen, ohne dass die Klemme vom Ladegerät mit in die Lösung taucht und aussieht wie Sau (Bild 05 + Bild 06).
Wichtig: Das Werkstück und der Kupferdraht dürfen die Opferanode (meinen Topf z.B.) nicht berühren! Je näher beide zusammen sind, desto stärker ist der Stromfluss und desto schneller geht das ganze Prozedere. Aber berühren dürfen sich beide auf keinen Fall!
e) Nachdem nun Werkstück und Opfermetallstück in der elektrolytischen Lösung hängen, wird es Zeit um den Strom anzuklemmen. Das zu opfernde Metallstück (mein Kochtopf) wird mit der positiven roten Klemme (der Anode) verbunden. Die Klemme sollte nicht in die Lösung getaucht werden, da sie sich sonst auch auflöst. Am besten auch hier Kupferdraht einsetzen oder die Opferanode nicht komplett in die Lösung tauchen (so wie ich das mache). Nun das Werkstück mit der negativen schwarzen Klemme (der Kathode) verbinden. Spätestens hier empfiehlt sich der Einsatz von Kupferdraht, damit die Klemme nicht in der Lösung liegt.
Wichtig: Nochmals überprüfen, ob beide Teile richtig verkabelt wurden. Wer das Werkstück an den falschen Pol hängt, zersetzt es und entrostet seinen Kochtopf.
f) Wenn nun beide Teile in der Lösung hängen und richtig verkabelt sind, das Ladegerät einstecken und anschalten. Das Amperemeter sollte dabei leicht ausschlagen und gibt euch somit sofort eine Rückmeldung, ob auch wirklich Strom fließt. Wenn nicht, nochmals das Ladegerät abschalten, ausstecken und die Verkabelung bzw. den Kontakt zu den Metallen prüfen. Wenn das Amperemeter ausschlägt solltet ihr auch nach kurzer Zeit bereits kleine Bläschen sehen, die in der Lösung aufsteigen (Bild 07). Wenn dies der Fall ist, funktioniert die Elektrolyse!
Wichtig: Die aufsteigenden Bläschen enthalten geringe Mengen Wasserstoff. Daher sollte die Elektrolyse an einem gut gelüfteten Ort betrieben werden (z.B. Kellerraum mit gekipptem Fenster). Selbst so geringe Mengen Wasserstoff ergeben zusammen mit Sauerstoff Knallgas, das beim kleinsten Funken explodieren kann! Daher sollte man auch niemals die Elektrolyse abdecken oder neben einer offenen Flamme (brennende Zigarette z.B.) betreiben!
4. Kontrolle, Zwischenreinigung und Endresultat
Je nach Intensität der zu entfernenden Substanz und der Größe des Werkstücks dauert die Elektrolyse mehrere Stunden. Bei kleinen Roststellen und kleinem Werkstück kann man bereits nach ca. 2 h mal nachschauen wie das Zwischenergebnis ausschaut. Bei größeren Sachen und starkem Rost kann man die Elektrolyse auch mal über Nacht laufen lassen (also gut und gerne ca. 8 h). Lackierte Teile sollten nicht zu lange in der Elektrolyse bleiben, damit sich der Lack nicht vom Werkstück ablöst und die Lösung verunreinigt! Zur Lackanlösung reichen oft wenige Stunden aus. Am besten schon nach 1 h kontrollieren, spätestens jedoch nach 2 h. Vor der Entnahme des Werkstücks unbedingt wieder das Ladegerät abstellen und ausstecken!
Schaut man sich nun das Werkstück an, wird man oft eine weißliche Schicht darauf erkennen, die ist normal. Mit einer Messingbürste und etwas warmem Seifenwasser kann man nun den Rost oder Lack abbürsten. Der schwarze Lack meines MFD erwies sich als recht zäh und ein zweiter Durchgang war nötig, da er an manchen Stellen nicht abgehen wollte (Bild 08 + Bild 09).
Da die Elektrolyse bei direkter Sichtverbindung zur Anode stärker wirkt, kann auf der von der Opferanode abgeneigten Seite des Werkstücks der Rost oder Lack noch stärker vorhanden sein. Daher muss man in solch hartnäckigen Fällen die Prozedur wiederholen. Diesmal sollte man das Werkstück aber mit der anderen Seite Richtung Opferanode hängen.
Nach einem zweiten Durchgang von ca. 2 h ging bei mir der restliche Lack dann auch recht gut ab.
Wenn nun auch der zweite (oder x-te) Durchgang beendet ist, und ihr das Werkstück abgebürstet habt, solltet ihr (sofern ihr alles richtig gemacht habt) keinen Rost und keinen Lack mehr darauf finden können. Nun könnt ihr mit dem Entfetten und Neulackieren beginnen. Wenn ihr ein Teil nur entrosten wolltet, könnt ihr es nach dem Waschen und trocknen wieder ganz normal einölen. Fertig ist das gute Stück.
Übrigens nimmt die elektrolytische Lösung nach einigen Durchgängen eine ziemlich eklige grünliche Farbe an. Das ist normal und die Sedimente lagern sich mit der Zeit am Boden des Eimers ab. Auch wenn die "Suppe" ziemlich wiederwärtig aussieht, kann man die Elektrolyse relativ lange ohne neue Lösung betreiben. Meine war einen ganzen Sommer lang problemlos immer mal wieder in Betrieb. Gelegentlich muss man evtl. etwas Wasser nachfüllen weil ein Teil verdunstet war.
Die ganze Prozedur hört sich zwar sehr umfangreich an, ist aber nur einmalig von Nöten und im Endeffekt eine riesige Zeitersparnis im Vergleich zu üblichen Arbeitsschritten. Während die Elektrolyse läuft, könnt ihr nämlich irgendwas anderes machen: ein Buch lesen, Fernsehen oder im Garten arbeiten zum Beispiel. Wenn ihr die Elektrolyse also einmalig aufgebaut habt und wisst wie alles geht, ist es in Zukunft eine Sache von Minuten, sie wieder in Betrieb zu nehmen.
Solltet ihr noch Fragen haben, lasst es mich wissen.
Grüße
Thomas
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