Kurzum, unser Postbote wollte sich von der Waffe trennen und wusste nun nicht wohin damit. Da Gaspistolen nun nicht grade zu meinem Fachgebiet gehören, war ich zunächst etwas unentschlossen, ob ich die Waffe übernehmen sollte. Die Satzteile „Nichts dafür haben“, „in gute Hände geben“ ließen dann ein entschlossenes Ja aus meinem Munde klingen.
Vielleicht dachte ich, es könnte etwas Besonderes sein, und bot an, mir die Waffe mal genauer anzusehen und sie einzuschätzen.
Vor ein paar Tagen war es dann soweit. Der Postbote klingelt bei mir, in der einen Hand einen Stapel Briefe und in der anderen die alte Schachtel. Das musste die Waffe sein. Alles andere waren natürlich irgendwelche Rechnungen, deren Zahlungsziele vorerst von mir verlängert wurden.
Ich könne sie behalten, waren seine Worte. Aber, erwiderte ich, wenn ich bei der Einschätzung feststelle, dass die Waffe eine Millionen Euro wert ist, was dann? Er wolle sie nur wiederhaben, wenn der Schätzwert etwas über einer Millionen liegen würde….
Zurück im Haus öffnete ich die alte Schachtel. Und hier folgt nun die Geschichte ihres Inhaltes:
Bei meinen persönlichen Schusstest, der diesmal in meinem Keller stattfand, begleitete mich diesmal meine:
Automatische Gas-, Alarm- und Signalpistole PERFECTA Model G3, Kal. 6mm Flobert Platz, PTB 165, Baujahr wahrscheinlich Anfang der 80er Jahre (Bild 1).
Natürlich war ich überrascht als ich die Schachtel öffnete. Mein erster Gedanke war, dass es sich um eine Walther Pistole handelt, da sie das Aussehen einer TPH und etwas von der TP hatte.
Nachdem ich ein eigenartig aussehendes Magazin aus der Waffe gezogen hatte, wollte ich nun den Verschluss zurückziehen. Ging nicht. Ok, dachte ich, dann erstmal den Abzugsbügel runterdrücken und auseinanderbauen. Ging auch nicht.....
Deuwel nochmal, musste ich doch glatt die beiliegende Gebrauchsanweisung lesen und stellte dabei fest, dass ich ein technisches Wunderwerk in den Händen hielt. Die Gebrauchsanweisung war schnell überflogen. Besonders interessant fand ich die ICONS zum Einsatzspektrum der Waffe, die handschriftlich bezifferte Explosionszeichnung, sowie eine Bitte in eigener Sache. Das hatte irgendwie Stil (Bild 2).
Von der linken Seite betrachtet weist die Pistole eine Sicherung auf, eine goldene Raute mit dem Kürzel MaRie und einen sorgfältig bedruckten Verschluss, der ja eigentlich kein richtiger ist.
Die rechte Waffenseite war schlicht gehalten, von unten betrachtet machte die Waffe einen massiven Eindruck der auch durch das hohe Eigengewicht bestätigt wurde (Bild 3).
Technische Daten der Pistole:
Kaliber: 6mm Flobert Platz
Gesamtlänge: 126mm
Gesamthöhe: 83mm
Gesamtbreite: 24mm
Gewicht: 310Gramm
Magazininhalt: 8 Patronen
Als erstes habe ich mir mal das Magazin angeschaut. Eine Messingröhre mit Zubringer und Zubringerfeder. Ein Verriegelungs-Mechanismus im herkömmlichen Sinne war nicht vorhanden. Das Magazin klemmt sich lediglich im Griffstück fest. Obwohl mit einer Kapazität von 8 Patronen ließen sich leicht 9 laden und das Magazin auch noch ohne Widerstand in die Pistole einführen. Die beiliegende Munitionsdose zeigt sich mit einer interessanten Beschriftung (Bild 4).
Mit der Bezeichnung automatische Pistole war ich vorerst etwas überfordert. Da bewegt sich nichts. Außerdem ist ein großes Loch im oberen, hinteren Teil des Verschlusses, der ja eigentlich keiner ist.
Also erstmal zerlegen. Im vorderen Teil des Verschlusses, der ja eigentlich…, befindet sich auf der linken Waffenseite eine kleine Schraube. Diese muss entfernt werden, dann den Verschluss ein kleines Stück nach vorn schieben und nach oben abheben.
Die Zerlegeschraube besitzt eine Zentrierspitze, sodass die Pistole immer wieder passgenau zusammengesetzt werden kann. Bei dem Loch im Verschluss handelt es sich um das Auswurffenster und das Fehlen des Abschussbechers lässt sich damit erklären, dass dieses Model wohl keinen hatte, da die Abschussaufnahme für die Pyrotechnik im Verschluss integriert ist. Einmal für 9mm und einmal für 15mm (Bild 5).
Jetzt konnte ich endlich einen Blick auf die Funktionstechnik werfen. Zusätzlich habe ich noch die linke Griffschale abgebaut, um einen Blick auch seitlich in die Waffe werfen zu können (Bild 6).
Als erstes fiel mir ein durchbohrter Block auf, der mit der Abzugsbewegung hoch und runter ging (fig.1). Hierbei handelt es sich um den eigentlichen Lauf der Waffe.
Dieser Lauf steht mit seinem Patronenlager exakt über dem eingeführten Magazin deren Magazinlippen nach oben zeigen (fig.2).
Betätigt man nun den Abzug wird der Laufblock über die Abzugsfeder nach oben bewegt. Dabei schiebt er eine Patrone vom Magazin und führt diese auf seinem Weg nach oben mit (fig. 3). Nach einem kurzen Stück wird nun mittels einer Schiene die Patrone im Patronenlager fixiert und der Schlagbolzen löst aus, indem er auf den Rand der Patrone schlägt, wo sich die schlagempfindliche Ladung befindet. Diese setzt nun um und entzündet die Treibladung in der Hülse. Zu diesem Zeitpunkt steht der Laufblock fast waagerecht und der Funkenflug oder die Gasladung kann nun in Richtung Mündung ausschießen (fig.4).
In der Draufsicht stellt sich der Ablauf wie folgt dar:
Magazin ist eingeführt. Die Pistole ist sofort Schussbereit. Die Patrone befindet sich zum Teil im Patronenlager des abgesenkten Laufteils (fig.5). Bei Betätigung des Abzuges hebt sich der Laufblock an und führt eine Patrone vom Magazin mit nach oben. Diese wird von einer Schiene nach verlassen des Magazins in das Patronenlager geschoben und fixiert (fig.6).
Mit Abschluss der Abzugsbewegung löst der Schlagbolzen aus und zündet die Patrone. Der Laufblock fällt wieder nach unten und legt sich über das Magazin zur Aufnahme der nächsten Patrone. Da die Magazinlippen nach oben zeigen, kann diese dabei nicht aus dem Magazin gedrückt werden (fig.7).
Die leere Hülse des ersten Schusses wird erst mit dem zweiten Schuss ausgeworfen. Lädt man also 3 Patronen so wäre die Auswurfreihenfolge der Hülsen: 0,1,2. Die letzte Hülse verbleibt in der Waffe. Eine erneute Abzugsbetätigung ist nicht möglich, da jetzt der Abzugsmechanismus blockiert.
Erst nach Entnahme des Magazins, wodurch die Abzugsblockierung aufgehoben wird, kann die letzte leere Hülse mittels einer kompletten Abzugsbewegung aus der Pistole entfernt werden. Die leeren Hülsen werden mit einer sehr hohen Geschwindigkeit aus dem Auswurffenster geworfen, so dass man es mit der Kamera nicht einfangen konnte.
Lediglich die letzte Hülse fliegt für die Kamera sichtbar aus der Waffe. Ist dieses geschehen, blockiert der Abzugsmechanismus erneut (siehe Demo Letzte Hülse).
Letzte Hülse.gif
Die PERFECTA Gaspistole ist eine der interessantesten Entwicklungen von Gaspistolen in Deutschland. Ursprünglich ist sie der Firma Walther Waffen in der Zeit von 1934 bis 1939 zuzuordnen.
Entwickelt wurde das erste Model um 1930 vom Walther-Mitarbeiter Walter Riem. Dieser soll die Pistole allerdings wohl in seiner Freizeit konstruiert haben. Nach Ende des Krieges wurde die Produktion von Gaspistolen bei der Firma Walther vorerst nicht mehr aufgenommen.
Walther Riem gründete Anfang der 1950er Jahre die Firma Mayer-Riem KG und begann dann wieder mit der Produktion der PERFECTA Gaspistolen. Es wurden eine Vielfalt verschiedener Modelle produziert. Die wohl bekanntesten sind die Modelle der G Reihe. Hervorzuheben sind hier die Pistolen G mit der PTB Abnahme 8/69, das Model G2 PTB 8/72 und das Model G3 PTB 165. Letztere wurde bis in die 1980er Jahre produziert.
Die Läufe der Waffen hatten allesamt keine Laufsperren, was in der heutigen Zeit wohl undenkbar wäre.
Das Model G sowie das Model G3 besitzen auf ihrer linken Griffschale eine goldene Raute mit den Abkürzungen der GmbH Gründer MaRie.
Anfang der 1970er Jahre wurde dann aus der Firma Mayer – Riem GmbH durch eine Erweiterung der Teilhaber die Firma UMAREX.
Persönliches Fazit:
Diese Gaspistole macht aufgrund seiner wirklich unglaublich tollen Technik Lust auf mehr. Ein deutsches Produkt welches ihren Reiz im Laufe der Jahrzehnte nicht verloren hat. Im Gegenteil, sie hat es geschafft ein eigenes Sammelgebiet zu schaffen. Ein Sammelgebiet im Sammlergebiet von Gas-, Start- und Alarmpistolen.
Mein Ziel wird es sein meine Waffensammlung mit den Modellen G und G2 aus der PERFECTA Serie zu vervollständigen.
Auch wenn der Wert der Automatischen Gas-, Alarm- und Signalpistole PERFECTA Model G3, Kal. 6mm Flobert Patz die Eine-Millionen-Euro-Grenze nicht überschritten hat, so ist sie doch ein wertvolles Indiz deutscher Waffengeschichte.
Ich bin mal wieder begeistert und sehe diese Art von Waffen fortan mit anderen Augen.
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