Einfach mal warten für welches Kaliber sich die USA entscheiden.
Die Frage, ob die deutschen Streitkräfte ein neues Sturmgewehr brauchen und wer dieses am Ende liefern soll, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen in breiten Schichten der Gesellschaft, Streitkräfte und Politik. Aktuelle Entwicklungen in den US-Streitkräften könnten als Ausgangspunkt für eine Neubewertung der G36-Nachfolge dienen und das von Anfang an unter schlechten Vorzeichen stehende Projekt doch noch zu einem Erfolg führen.
Die Wurzel allen Übels
Es ist zu vermuten, dass der Entschluss, das G36, die Ordonnanzwaffe der deutschen Soldaten, so schnell wie möglich auszumustern, maßgeblich politisch motiviert war. Die Aussage der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Zuge der G36-Affäre, „dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat“, kann so interpretiert werden, dass die Bundeswehr so schnell wie möglich eine neue Ordonnanzwaffe zu beschaffen hat.
Jetzt wird sicherlich der ein oder andere Leser darauf verweisen, dass hier Ursache und Wirkung verwechselt werden, schließlich wären die festgestellten Defizite bei der Präzisionsleistung der Waffe ursächlich für die G36-Nachfolge gewesen und nicht die Politik. Dies ist nur bedingt zutreffend. Ja die Bundeswehr hat im Zuge der Auslandseinsätze neue Erfahrungen gesammelt und demzufolge auch neue Präzisionsanforderungen definiert. Und ja, es wurde festgestellt, dass das G36 diese Präzisionsanforderungen in seiner jetzigen Form nicht erfüllt. Dies wurde auch durch einen internen Untersuchungsbericht bestätigt. Der politische Wille war es aber, die neuen Präzisionsanforderungen mittels einer neuen Waffe zu erfüllen und das Angebot des Herstellers, das G36 einer Produktverbesserung zu unterziehen und so ebenfalls zum Ziel zu kommen, auszuschlagen. Es standen somit mehrere Wege offen, mit denen das Problem angegangen hätte werden können, einer davon wurde aber durch die Aussage der damaligen Ministerin unmöglich gemacht.
Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des genutzten Kalibers ist ein ständiger Begleiter der Sturmgewehrbeschaffung. Insbesondere die US-Streitkräfte, welche bereits seit geraumer Zeit mit der Leistungsfähigkeit des 5,56 mm x 45 Kalibers unzufrieden sind, haben enorme Anstrengungen unternommen, ein den modernen Ansprüchen gerechtes Handwaffenkaliber zu entwickeln. Dieses neue Kaliber soll auch Potenzial haben, das seit den frühen 80er Jahren genutzte Standardkaliber (5,56 mm x 45) der NATO zu ersetzen. Auch die Bundeswehr muss sich die Frage stellen, ob das aktuelle Kaliber auch die nächsten Jahrzehnte Feuerüberlegenheit für die eigene Truppe gewährleisten kann.
Bis vor kurzem waren alle Versuche gescheitert, das 5,56 gegen ein leistungsfähigeres Kaliber auszutauschen. Zu hoch waren die mit einem Wechsel verbundenen Kosten, zu gering der gewonnene Mehrwert – zumal man ja auf einen Waffen- und Kalibermix auch auf Gruppenebene zurückgriff. Aber auch dieser Weg ist nicht unumstritten. Mit jedem zusätzlichen Waffentyp steigt die Komplexität der Logistik und der Ausbildung. Zurzeit sehr knappe Ressourcen. Diesbezüglich könnten sich mit dem NGSW- Handwaffenmodernisierungsprogramm der U.S. Army Änderungen ergeben.
NGSW steht für Next Generation Squad Weapon, die U.S. Army möchte mit diesem Vorhaben die M16/M4-Familie durch eine NGSW-Rifle und das leichte Maschinengewehr M249 Squad Automatic Weapon durch eine NGSW-Automatic Rifle ersetzen. 2017 führte das US-Heer dazu eine Studie durch, die zur Entwicklung eines 6,8-mm-Geschosses führte, um welches das neue Waffensystem herum aufgebaut sein soll. Es soll höhere Wirkung, Geschossgeschwindigkeit und -gewicht, bei gleichzeitig geringerem Patronengewicht sowie reduzierte Abschusssignaturen ermöglichen als die bisher genutzte 5,56 mm x 45. Aus der Kombination entsteht die signifikante Steigerung der ballistischen Leistungsfähigkeit bei leicht reduziertem Gewicht der individuellen Patrone.
Drei Firmen bzw. Firmenkonsortien wurden durch die US-Streitkräfte beauftragt NGSW-Waffensystemkonzepte zu entwickeln: SIG Sauer, General Dynamics (mit Beretta Defence Technlogies und True Velocity) und Textron (mit Olin Winchester). Alle drei Bewerber haben ein NGSW-Rifle, ein NGSW Automatic Rifle sowie dazugehörige Munition mit dem 6,8er-Geschoss eingereicht. SIG Sauer setzt dabei auf eine Stahl-Messing-Hybridmunition, General Dynamics auf eine Patrone mit Polymerhülse und Textron auf seine teleskopierte Hülsentechnologie (Cased Telescoped Technology). Letztere war bereits im Lightweight Small Arms Technology (LSAT)-Vorhaben bekannt geworden. Das Projekt befindet sich den Angaben der Army zufolge im Zeit- und Budgetrahmen. Die letzten Versuchserprobungen sollen im 1. Halbjahr 2021 erfolgen. Im Herbst will das US-Heer das Siegerkonzept verkünden. Die ersten Gewehre sollen dann in der zweiten Hälfte 2022 an die Truppe ausgegeben werden. Insbesondere die neue Munition soll die Leistungsfähigkeit der Sturmgewehre gegenüber dem derzeitigen Sturmgewehrkaliber, welches ausgereift und kaum noch Steigerungspotential bietet, verbessern. Eine Waffe mit dem neuen Kaliber böte somit deutlich höhere Chancen, mit Körperpanzerung geschützte Gegner auch in Zukunft effektiv bekämpfen zu können. Erfüllen die Potentiale des neuen Kalibers die Prognosen, hätte das Ausschwenken des Hauptnutzers US-Streitkräfte unweigerlich Auswirkungen auf das NATO-Kaliber 5,56 mm x 45.
https://soldat-und-technik.de/2021/0...eubetrachtung/
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