Nun ergab sich für mich die Möglichkeit des Erwerbs eines Original 30M1 Carbine. Eine von rund 8 Millionen gebauten M1 für die amerikanische Armee. Erst 1960 wurde die Herstellung für die Streitkräfte eingestellt. Der Ersatzteilmarkt ist üppig. Einzelne M1 Modelle gibt es teilweise in wirklich zusammengebastelten Ausführungen, um den unglaublich großen Sammelmarkt zu bedienen.
Aber natürlich gibt es auch Originale, bei denen alles stimmt, sofern man es irgendwie beweisen kann. Und diese Modelle erzielen für eine rund 80 Jahre alte Waffe teilweise astronomische Verkaufssummen. Bedenkt man, dass die Herstellungskosten einer M1 damals nur rund 45$ und im Verkauf nur 72$ betrugen.
Der 30M1 gehört zu den am meisten in den USA und dem Rest der Welt gesammelten Waffen. Egal aus welcher Intention, ob aus militärischen-, technischen-, Erinnerungs-, sportlichen- oder einfach nur „haben wollen“-Gründen.
Alles durcheinander mit allem drauf, das ist mein erster Eindruck meiner Recherchen über meine M1... Es ist so umfangreich, so widersprüchlich und so interessant.
Teilweise werden sogar M1 nach Seriennummern gesucht, die einst ein Familienmitglied im WKII, Korea oder Vietnam geführt hat. UNGLAUBLICH. Das alles trägt dazu bei, süchtig danach zu werden die Herkunft und Zusammensetzung seiner M1 bis ins Detail herauszufinden.
Die Waffe, die ich euch heute vorstellen möchte, ist mein neuer:
30M1 Carbine, Hersteller Winchester, Kaliber .30 Carbine, Herstellungszeitraum Sept.1942-Feb.1944 (Bild 1).
Im Vergleich zum Original steht die ERMA eigentlich recht gut da (Bild 2).
Mit Beginn des zweiten Weltkrieges und dem damit später verbundenen Eintritt in den WKII der USA, musste eine neue Waffe her. Die alten Repetierbüchsen wurden schon früh durch den M1 Garand Karabiner im Kaliber .30-06 Springfield ausgetauscht, eine zuverlässige, wenn auch schwere, halbautomatische Langwaffe mit einer leistungsstarken Patrone.
Mit Kriegseintritt der USA wurde der personelle Anteil der Armee auf rund 1,5 Millionen Soldaten erhöht. Die Handwaffenversorgung war zu Beginn dieser Zeit beschränkt auf Revolver und Pistolen für Angehörige wie Sanitäter oder andere, rückwärtige Dienste.
Es gab auch noch einen Teil Maschinenpistolen. Es musste aber eine leichte, führige Langwaffe her.
Und so gab 1938 das Waffenamt eine Neuentwicklung an alle Waffenhersteller des Landes in Auftrag. 1941 wurde der vorgelegte Prototyp der Firma Winchester in Produktions-Auftrag gegeben.
VOLLTREFFER. Nicht nur die Sanis und andere rückwärtigen Dienste wollten nun mit dem neuen, leichten, kurzen, wenn auch nicht super präzisen, halbautomatischen Gasdrucklader versorgt werden.
Die Herstellung der Waffen wechselte zwischen 10 metallverarbeitenden und waffenherstellenden Betrieben hin und her. Meine M1 stammt aus dem Hause Winchester und wurde nach Waffennummer im o.a. Zeitraum in der Nummernserie von 1.000.000-1.349.999 hergestellt.
Insgesamt wurden für die Zeit des WKII rund 6,5 Millionen M1 gefertigt, von denen bis Kriegsende geschätzte 750.000 Waffen verloren oder auch als Aufbauhilfe für Polizei, Forst und später die Bundeswehr in Deutschland und in Europa geblieben sind.
Die etwas schwächlich wirkende, ebenfalls neu entwickelte Patrone .30 Carbine war mit ihrem Einzelgewicht von nur 13g ein logistisches Meisterwerk. Auch die Soldaten konnten von der leichtgewichtigen Patrone profitieren, indem sie einen recht hohen Munitionsvorrat mitführen konnten (Bild 3).
Bei den mitgelieferten Magazinen handelt es sich um 2 derzeit Waffenrechtskonforme 10-Schuss-Magazine (Bild 4, fig.1).
Wo sich die eigentlich zum Zubehör gehörenden mindestens drei 15-Schuss-Magazine befinden, ist mir nicht bekannt. Zusätzlich gab es noch Bananenmagazine mit 30 Schuss, die kontriert mit einer Klammer zusammengesetzt werden konnten, um einen 60 Patronen Vorrat an der Waffe tragen zu können.
Bei meinen Magazinen soll es sich um Umbauten von Originalmagazinen handeln. Allerdings sehen sie so neu und unbenutzt aus, dass ich annehmen muss, dass es sich um späte Nachkriegsproduktionen handelt. Ich kann auch auf den Magazinrücken keine Markierungen der einzelnen Hersteller finden. Der Zubringer ist aus Metall, wie sein originales Vorbild (fig. 2).
Die Patronen liegen im Zick-Zack-System im Magazin. Dadurch erreicht man mit relativ kurzem Magazinkörper eine hohe Magazinkapazität (fig.3).
Der Magazinboden wird vom Blech des Magazinkörpers seitlich um ca. 1mm umfasst und somit gegen den Federdruck der Zubringerfeder gehalten. Um das Magazin zu zerlegen, muss man den vorderen Teil des Magazinbodens etwas anheben und vom hinteren Teil mit einem Schraubendreher vom Magazinkörper etwas abkanten und nach vorne schieben. Der Magazinboden erinnert durch seine Befestigung an das Original 15-Schuss-Magazin Type II (fig. 4).
An der Vorderseite des Magazins befindet sich eine Führungskante, die im Magazinschacht in eine Nut fasst, um das Magazin schnell und passgenau in die Waffe einführen zu können (fig.5).
Die seitlichen Nuten am Magazin finden kein Gegenstück im Magazinschacht. Sie dienen wohl nur zur Zuführungssicherung der Zubringerfeder im Magazininneren (fig.6).
Auf der Magazinrückseite befinden sich noch die Halteaussparungen zum Einrasten des Magazins in der Waffe. Das Magazin lässt sich erstaunlich schnell wechseln, wenn man erstmal die Feinmotorik dafür entwickelt hat. Ansonsten wirkt das Magazin wie alle Militärmagazine, klapprig und scharfkantig (fig. 7).
Von Beginn an der Konstruktion des M1 wurde die Waffe mit dem sogen. Flip Type oder Flip Sight Visier ausgestattet. Dieses Visier konnte durch eine Kippbewegung von 100 Yards Zielentfernung auf 300 Yards umgestellt werden. Es handelt sich hierbei um eine Lochkimme. Der Schütze konnte dieses Visier aber nicht in seiner Seitenrichtung beeinflussen. Somit hatte er keine Möglichkeit die Treffpunktlage bei z.B. starkem Seitenwind zu verändern (Bild 5, Visiertyp 1).
Erst Ende 1944 wurde das Flip Sight durch ein gefrästes, höhen- und seitenverstellbares Visier ersetzt. Es wurden dann später viele M1 nachträglich mit diesem Visier umgerüstet (Visiertyp 2).
Etwa zur gleichen Zeit folgte dann ein etwas modifiziertes, gestanztes, und somit günstigeres Visier. Die Modifizierungen waren eine verbesserte Rändelmutter zur Seitenverstellung sowie eine zusätzliche Kimmen-Aussparung zur zentralisierten und schnelleren Zielaufnahme (Visiertyp 3).
Bei dem meiner M1 beiliegenden Visier handelt es sich um ein Typ 3 Visier. Somit kein Originalzubehör, da der Herstellungszeitraum meiner M1 ja von September 1942 bis Februar 1944 lag. Dennoch ein Originalteil, was man an dem eingekreisten H im Schild erkennen kann. Es handelt sich um eine Fertigung von Winchester oder Rock Ola (fig.1).
Mit dieser neuen Visierversion konnte nun der Schütze die Höhen- und Seitenverstellung selbst vornehmen, um somit die Treffpunktlage seiner Waffe den äußeren Bedingungen anzupassen. Zusätzlich wurde die Zielaufnahme durch die Aussparung vor der Lochkimme erheblich verbessert (fig. 2).
Die Zielentfernungseinstellmöglichkeiten wurden nun, im Gegensatz zum Flip Sight Visier, um zwei weitere Entfernungen ergänzt. Nun konnte der Schütze Entfernungen von 100, 200, 250 und 300 Yards einstellen. Die verschiebbare Kimme wurde an den entsprechenden Entfernungen über zwei Bohrungen, die sich in der Visierschiene befinden, mittels zwei an der Unterseite der Kimme befindlichen Halbkugeln sicher fixiert (fig.3 a & b).
Auf meine M1 Version wurde nachträglich ein Zielfernrohr (ZF) montiert. Das ZF gehört aber in keiner Weise zur Originalausstattung der Waffe. Es handelt sich um ein einfaches, handelsübliches ZF, mit dem Namen Walther (Bild 6).
Um die Montage zu ermöglichen, musste das Originalvisier entfernt werden. Dieses wurde durch einen Visierfuß mit einer Gewindebohrung (Inch Maß) ersetzt. Zusätzlich wurde noch ein Führungsdorn in den vorderen Teil der Visieraufnahme eingebohrt und verklebt (fig.1).
Auf der ZF-Montage Unterseite sieht man einmal die Führungsdornaufnahme und den Gewindeteil der Befestigungsschraube (fig.2).
Von der Seite betrachte erkennt man im oberen Teil den Schraubenkopf und den Durchbruch für den Führungsdorn. Weiterhin noch zwei Madenschrauben (Inch Maß) zur Befestigung des ZFs auf der Montage. Ebenfalls befinden sich zwei Madenschrauben auf der rechten Montageseite (fig.3).
Zur Befestigung des ZFs wurden die original Montageringe gegen Montageringe mit runden Aufnahmen gewechselt. Diese werden nun auf der Montageoberseite in vorhandene Bohrungen eingesetzt. Die hintere Bohrung ist etwas oval, um somit bei der Montage die grobe Ausrichtung des ZFs zur Laufmitte zu ermöglichen. Dadurch wird der Notwendigkeit einer umfangreichen ZF Justierung vorgebeugt. Die Lage des ZFs wird dann über die Madenschrauben bestimmt (fig.4).
Der Schaft der M1 verbirgt noch ein zusätzliches feature. Im Hinterschaft befindet sich im Schaftdurchbruch ein kleines Ölfläschchen (Bild 7, fig.1).
Dieses wird mittels des Trageriemens der Waffe in diesem Durchbruch gehalten und kann entweder durch Entfernen des Trageriemens oder durch eine Schlaufenbildung aus seinem Exil befreit werden (fig.2-4).
Der Stempel auf meinem Ölfläschchen besteht aus den Buchstaben IS und sagt aus, dass dieses Kleinod vom Zulieferer International Silver hergestellt wurde (fig.5+6).
Anhand des Schaftdurchbruches auf der rechten Hinterschaftseite kann schon eine Bestimmung des Schaftalters bzw. des Typs ermittelt werden. Hat der Durchbruch die Form von einem I, so ist es ein Schaft des Typs 1, also der quasi der ersten Stunde. Bei allen anderen Schaftversionen war der Schaftdurchbruch auf der rechten Seite oval (fig.7).
Schauen wir uns nun einmal die übrigen Stempel auf der Waffe an (Bild 8).
Auf dem Verschlussende zeigt sich neben der Waffennummer und dem Hersteller Winchester einmal der Herstellungszeitraum, der durch die Waffennummer definiert ist, also handelt es sich um eine Waffe aus der ersten Winchester-Serie 1000000-1349999. Dieses lässt schließen, dass der Verschluss ein Typ 1 Verschluss ist (fig.1).
Auf der Laufhülse befindet sich die zweizeilige Markierung U.S. CARBINE / Cal. .30 M1 (fig.2).
Das Mündungsende des Laufes gibt sich da schon widersprüchlicher. So wurde das seit 1905 verwendete Prüfzeichen WP im Oval durch die dreieckige Inspektorenmarke mit der eins in der Mitte überstempelt. Links und rechts daneben habe ich zum Vergleich die jeweiligen Originalstempel eingefügt (fig.3).
Die darunter stehende 11 und die 61 kann ich jeweils nicht begründen. Es gibt zwar den Hinweis, dass es folgende Bestempelung noch gab:
Original-Wortlaut:
- Arabic number over a period = Inspector mark
- Arabic Number over a hyphen = Assemblers mark
- Arabische Ziffer über einem Punkt = Inspektoren Zeichen
- Arabische Ziffer über einem Bindestrich = Monteur Zeichen
Wenn es sich um eine Art Prüfungsdatum handeln sollte, so kann es sich dann nicht mehr um einen Lauf aus der laufenden Armeeproduktion handeln, denn diese wurde ja 1960 eingestellt.
Das Einzige, was man dann noch annehmen könnte, wäre, dass es sich um einen Lauf o.g. Produktion handelt, er aber nach Produktionsende in den kommerziellen Verkauf von M1 Waffen übernommen wurde.
Das Plus Zeichen kann ich mir ebenfalls noch nicht erklären. Sicher ist nur, dass alle Einprägungen und Stempel immer irgendeinen Sinn haben.
Im Schaftinneren habe ich auch einen Stempel gefunden, den ich nicht zuordnen kann. Er wies die Buchstaben SILE auf. Ebenfalls fand ich noch ein V, dessen Ursprung ich auch nicht klären konnte. Könnte man davon ausgehen, dass die im Schaftdurchbruch aufgebrachte Seriennummer auch die der geschäfteten Waffe ist, so handelt es sich bei diesem Schaft um einen Schafts des Typs IV (6671104) einer 30M1, die von Inland Division of General Motors Coorperation Dayton, Ohio im Zeitraum Januar 1945 bis August 1945 hergestellt wurde.
Fazit:
Der Schusstest muss ja nach wie vor ausfallen. Die Identifikationssuche aber geht weiter. Ich werde somit noch einen zweiten Teil verfassen, da ich die Waffe noch zerlegen muss, um auch das Gasdrucksystem transparent zu machen. Dabei werde ich mit Sicherheit noch über weitere Stempel und Markierung stolpern, die mich einer endgültigen Zuordnung der Waffe oder zumindest einzelner Bauteile näherbringen.
Die Waffe an sich besticht durch ihre Führigkeit und dem geringen Gewicht. Ihre Treffgenauigkeit muss noch bewiesen werden und ich werde das ZF abbauen und die mir vorliegenden Zieleinrichtung wieder einsetzten. Erst dann wird ein Schusstest erfolgen, sofern möglich.
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