Für einen 1878 Revolver 10.4mm mit grösserem Defekt an der rechten Griffschale, ist eine Lösung zu suchen. Ersatzteile = Fehlanzeige. Diese Ersatzteillager existieren auch beim Schweizer Militär schon lange nicht mehr. Am liebsten hätte ich zwei Holzgriffe gefertigt aber meines Wissens wurden diese Ordonnanzrevolver nie mit Holzgriffen ausgeliefert.
Es stellt sich nun die Frage: Wiederherstellen oder Neuguss?
Diese Griffschalen sind im Original aus Hartgummi in einem angenäherten schwarz. Hartgummi, bestenfalls aus einem Stück spanabhebend fertigen. Bakelit genauso, bei beiden Materialien ist in der heutigen Zeit schwierig, ein genug grosses Stück als Rohling zu beschaffen. So beschloss ich wegen obigen Bedenken, einen Versuch mit einem um Jahrzehnte jüngeren Kunststoff zu versuchen und die rechte Schale als Ganzes neu zu giessen.
Vorgehen:
1. Das Internet nach diversen giessfähigen Kunststoffen abzusuchen und dann, wo bekommt man das Zeug her.
2. Man suche sich einen Kameraden der ein solches ein zu kopierendes Opjekt sein Eigen nennt und frage ihn, ob man besagte Griffschale als Leihgabe und Vorlage für die Erstellung einer Gussform bekommen könne. Andernfalls Reststücke als Vorlage nehmen und kreativ ergänzen.
3. .Dann beschaffe man teures 2K-Formsilikon oder eine billige Patrone Silikon-Dichtmasse vom Baumarkt für € 1.99, braucht halt eine Nacht zum Trocknen. Die Erklärung, wie man Negativ-Formen herstellt überlasse ich denen die das bereits gefilmt und in Youtube bereitgestellt haben. Es gibt haufenweise Beispiele und Vorgehensweisen. Ich nahm mir dieses Vorgehensweise als Vorlage. Die Hälfte Spühlmittel reicht: https://www.youtube.com/watch?v=8yEOI7JNUAk.
4. Man beschaffe im Baumarkt beim Autozubehör ein 2K Harz Reparatur Set inkl. Stück Glasfaser-Stoff (knapp 10€). Nun ist diese Ware ja weitgehend farblos. Ich möchte aber eine schwarze Griffschale. Ich habe dann zwei drei Reststücke Holzkohle aus dem Ofen gekrallt und sie mit der Drehraffel für Reibkäse geraffelt, dann mit einem Kaffeesieb gesiebt und dieses Pulver mit einem Mörser oder ähnlicher Konstruktion fein gerieben. Kohle ist ja grundsätzlich Natur pur und nicht giftig. Ach ja warum CH und in €? Die nächsten Baumärkte liegen halt in DE.
Arbeiten:
Dann Harz und Härter in geeigneter Menge mischen und erst dann das Kohlepulver nach farblichem Gutdünken dazu geben. Das mit dem Kohlenschwarz kann ich wirklich empfehlen, das Aussehen ist für eine Griffschale perfekt und sollte sich Abrieb ergeben ist nicht nur die Oberfläche schwarz.
Achtung Mischfehler vermeiden: Bei meinem ersten Versuch habe ich zuerst das Kohlepulver mit dem puren Harz gemischt und erst danach den Härter beigefügt. Das war ein Fehler! Dies führte dazu dass das Stück zwar gut aussah, aber auch nach Tagen noch klebrig und nicht ganz hart war. Dies weil sich wohl die Kohlenpartikel mit dem ungehärteten Harz vollgesogen und dann eben fast ohne Härter nur sehr langsam aushärteten. Das Ding war zwei Wochen bei ca. 30-40° im Kachelofen und wurde zwar täglich besser, war aber immer noch leicht klebrig. Zudem zeigte sich heftiger Materialschwund und bildete Risse. Zum Glück habe ich zwei Stücke Glasmatte in die Form eingelegt, so blieb die Festigkeit erhalten.
Das Gussstück liess sich problemlos aus der Silikonform entfernen. Ein Nacharbeiten ist natürlich nötig um die Schale letztendlich passgenau zu machen. Ich rate Randzonen und Ecken grosszügig zu gestalten, damit eher etwas zu viel Material da ist als benötigt wird. Das Endproduckt lässt sich gut Spanabhebend mit Feile und Schleiftuch bearbeiten. Es ist einfacher vorstehendes Material weg zu feilen, als einem fehlenden mm nachzutrauern.
Dann entschloss ich mich sogar, die durch das Kopierverfahren geschwächte Struktur der Fischhaut mit einer dreikantigen Schlüsselfeile nachzurillen. Die Schlussbehandlung: Die Schale mit einem Wolllappen und ein paar Tropfen Lederöl einreiben. Sofort war das tiefschwarz wieder präsent.
Das Resultat:
Nicht wirklich schön, nicht mehr original, aber ein befriedigender Platzhalter und viel besser als Nichts. Der nächste Versuch würde sicher noch etwas besser kommen.
Und jetzt - - ?
Nach dem wie oben beschrieben, ein einigermassen akzeptabler Neuguss entstanden ist, was soll nun mit dem alten Originalteil geschehen. Ich werde wohl auch noch ein geeignetes Fehlstück an das Originalteil pflanzen können. Schlussendlich entschloss ich mich, auf Grund der gemachten Erfahrungen mit dem Polyester-Set, der alten Originalschale eine Ecke aus meinem Kohle-Polyester anzugiessen und die Oberflächenstruktur harmonisch zu ergänzen. Schliesslich liegt ja das „Übungsstück“ bereits hinter mir.
Los geht’s: Die alten Flickreste weg operieren. Um eine Haftbrücke zu bekommen bohre ich 4 x 2mm Löcher stirnseitig in die Bruchkante der Schale. Die 4 Schräubchen (hochwertige Alulegierung aus einem demontierten Harddisk) halb einschrauben, damit die vier Köpfe wie Pilze einen Haltepunkt bieten. Dann mit einem Laminierten Papier eine Schalung formen und mit Klebstreifen um die Schale befestigen. Harz mischen, eingiessen, warten, auspacken und spanabhebend nachbearbeiten und Fischhaut weiter feilen. Dann wieder eine Lederölung und fertig. Wie ein vom Archäologen präpariertes Tongefäss präsentiert sich nun diese Griffschale wieder funktionell ganz. Gefällt mir und mit dem geringen Farbunterschied kann man doch leben.
Unten links wäre die geflickte Ecke.
Bild1 "en Egge ab", Bild 2, linke Hälfte bereits nach bearbeitet und geölt, rechts noch am Feilen, Bild 3, fertig geölt und montiert, Bild 4 reparierte Griffschale montiert
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