Irgendwann, wie es so ist, habe ich Jerry dann aus den Augen verloren.....bis vor ca. 2 Jahren, als ich meine Zuganschlusswartezeit in einem Bahnhofskiosk verbracht habe.
Völlig überrascht, dass es ihn noch gibt, fand ich einen Jerry Cotton Roman mit einem farbigen Cover. Für mich als Purist völlig unmöglich. Als ich die ersten Zeilen las, merkte ich, die Zeit ist auch bei JC nicht stehen geblieben... und das ging ja schon mal gar nicht.
Aber dann sah ich ein gewohntes, schwarz - weis Cover. Eines dieser mich faszinierenden, aus einem alten Kinofilm entnommene Bild welches ja nie etwas mit Inhalt des Romans zu tun hatte. Untermalt mit den „ Aufreißertiteln “ die mich früher schon erschaudern ließen (Bild 1).
Jerry Cotton Classic - Die Fälle der frühen Jahre - Nachdrucke der Erfolgsbände aus den 50er und 60er Jahren. Und schon hing ich wieder dran....
Nun lese ich wieder seit zwei Jahren Jerry Cotton nicht nur mit der Begeisterung aus meiner Jugend, sondern lese sie auch mit dem Auge des Schusswaffenkundigen. Und da machten mich einige Textteile nachdenklich. Z.B. :
„ich lud das Magazin meines 38er`s nach“ (könnte man noch nicht misstrauisch werden)
„Ich hielt die 38er in der Hand. Mein Daumen schob den Sicherungsflügel zurück“ (uuuppps...???!!!)
„ich tauschte das leergeschossene Magazin meines Revolvers gegen ein volles“
(na sach mal....nu aber...)
usw, usw....dieser Sache wollte ich auf den Grund gehen....
Zum ersten mal erschien Jerry 1954 in einem Roman des Bastei Verlages. 1956 bekam er dann seine eigene Romanreihe. Seine erste Waffe, die er führte, war eine Pistole 08 (in den Romanen auch oft „schwere Luger“ genannt). Kurze Zeit später bekam er dann einen .38er S&W Revolver den er 1998 gegen eine SIG P 226 eintauschte. Das FBI allerdings war zu diesem Zeitpunkt schon mit Glock-Pistolen ausgestattet.
Wie kam Cotton nun, als New Yorker FBI-Agent, zu seiner Pistole 08 (oder, wie sie in den Romanen oftmals beschrieben wurde, zu seiner „schweren Luger“)?
Ganz einfach:
Zitat des Cotten Erfinders Kaufmann: „Wir hatten ja damals gerade den Krieg hinter uns – und die Luger war die einzige Faustfeuerwaffe, die wir kannten!“
Die Pistole 08 verschwand aus Cottons Händen mit den Neuauflagen der ersten Bände. Dort wurde einfach die „schwere Luger“ gegen einen .38er Smith & Wesson Revolver ausgetauscht, um noch authentischer zu wirken. Den Terminus änderte man allerdings nicht. Und so kamen die Passagen mit z.B. Sicherung und Revolver zustande. Die nun (den Fachmann) verwirrenden Beschreibungen fußten letztendlich auch auf einer verständlichen, nicht ausgeprägten Waffenkenntnis der Autoren. Dennoch hatten sie ihre dramatische Wirkung im Roman nicht verfehlt und somit war selbst der fachkundige Leser bereit diese umschreibungen hinzunehmen (behaupte ich).
Dennoch taucht die Pistole 08, auch nach Wechsel der Waffe von JC, in den Romanen (der frühen Fälle) weiter auf. Und zwar immer in Gangsterhand....
Abschließend ist eines sicher, FBI-Agent Jerry Cotton hat es nie gegeben, er ist eine in Deutschland erfundene Romanfigur. Dennoch aber so real, dass das New Yorker FBI bis Ende der 70er Jahre Briefe von besorgten Fan`s beantwortete und diese über den Sachverhalt aufklärten. Namen, Straßen und Orte in den Romanen wurden von den deutschen Autoren original New Yorker Telefonbüchern und Stadtplänen entnommen.
Bleibt die Frage, vorausgesetzt es hätte Jerry Cotton wirklich gegeben, welche .38er Revolver von Smith & Wesson gab es denn nun Mitte der 1950er und Anfang der 1960er Jahre und was konnten sie wirklich mit ihren 2 - 2 ½ Zoll Läufen....... und welchen davon könnte JC davon gehabt haben.
Im Zeitraum von 1950 – 1962 (eine Modelbezeichnung durch Ziffern entstand erst 1957) standen von Smith & Wesson folgende .38er Special Modelle zur Verfügung (Bild 2) :
1. 1950 Model 36 “THE 38 CHIEFS SPECIAL”
2. 1952 Model 12 “THE MILITARY & POLICE AIRWEIGHT”
3. 1952 Model 37 “THE 38 CHIEFS SPECIAL AIRWEIGHT”
4. 1952 Model 40 “THE CENTENIAL” DAO (Double Action Only)
5. 1952 Model 42 “THE CENTENIAL AIRWEIGHT” DAO
6. 1955 Model 38 “THE BODYGUARD AIRWEIGHT”
7. 1955 Model 50 “THE 38 CHIEFS SPECIAL TARGET”
8. 1959 Model 49 “THE BODYGUARD”
9. 1962 Model 56 “KTX-38 USAF
Bei meinen Recherchen bin über dann noch über folgendes gestolpert : (Bild 3).
Dieses Bild ließ mich annehmen, dass eigentlich nur die Revolver 1-3 in Frage kommen konnten. Der dort abgebildete Revolver birgt noch einige Geheimnisse, die ich nur mit einem Satz erläutern kann : So etwas habe ich noch nie gesehen……
In der Reihe meiner persönlichen Schusstests haben mich diesmal folgende Revolver begleitet: (Bild 4).
Smith & Wesson Model 36, Kaliber .38 S&W Spezial (ungeschossen), 5 Schuss Trommel, J-Rahmen, Round Butt, Gewicht 558 Gramm, Baujahr 1969 / Pre Model 1950
Smith & Wesson Modell 37 Airweight, Kaliber .38 S&W Spezial (ungeschossen), 5 Schuss Trommel, J-Rahmen, Square Butt, Gewicht 390 Gramm, Baujahr 1983 / Pre Model 1952
Smith & Wesson Modell 12, Kaliber .38 S&W Special, 6 Schuss Trommel, K-Rahmen, Round Butt, Gewicht 522 Gramm, Baujahr 1960 / Pre Model 1952
Verwendete Munition:
Wiedergeladene Munition. Hülse: GECO, Zündhütchen: Magtech, Geschoss: H&N Blei verkupfert 158 Grain, Pulver N320 / 5,2Grain. Patronenlänge : 36,9mm.
Ballistische Daten der Patrone .38 S&W Special
Hülsenlänge : 29,35mm
Geschossgewicht : 10,2gr.
Mündungsgeschwindigkeit (Vo) : 330m/s
Energieabgabe (Eo) : 550 J.
Entwickelt : 1905 Smith & Wesson
Das Schussprogramm für die Revolver sah so wie folgt aus:
Entfernung 15 Meter:
- 5 Schuss, Spiegel aufsitzen lassen
- Feststellung der Treffpunktlage (alle Revolver waren Fleck eingeschossen, lediglich das Model 12 hatte seinen Haltepunkt 4 links).
- 5 Schuss nach Haltepunkt
Abschlußscheibe Entfernung 15 Meter:
5 Schuss je Waffe
Mod.36 schwarz, Mod.12 rot und Mod.37 gelb markiert (Bild 5).
Auswertung des S&W Mod. 36:
- Gewicht und Rückschlagenergie sind nicht ausgewogen, Handlage muss nach jedem Schuss korrigiert werden.
+ trockener Abzug – Spannabzug o.k.
+ starre Visierung, die ein schnelles Zielauffassen zulässt
- mäßige Handlage durch Round Butt Griff und kleinen J-Rahmen
+ Trommellauf gleichmäßig, keine spürbaren Unterschiede beim spannen des Hahns
+ Keine Probleme beim Öffnen und Laden der Trommel
Auswertung des S&W Mod. 12:
+ Gewicht und Rückschlagenergie sind ausgewogen, die Handlage muss nicht korrigiert werden
+ trockener Abzug – Spannabzug o.k.
+ starre Visierung, die ein schnelles Zielauffassen zulässt
+ Gute Handlage durch Round Butt Griff mit K-Rahmen
+ Trommellauf gleichmäßig, keine spürbaren Unterschiede beim spannen des Hahns
+ Keine Probleme beim Öffnen und Laden der Trommel
Auswertung des S&W Mod. 37 Airweight:
+ Gewicht und Rückschlagenergie sind erstaunlicherweise ausgewogen, die Handlage muss nicht korrigiert werden
+ trockener Abzug – Spannabzug o.k.
+ starre Visierung, die ein schnelles Zielauffassen zulässt
+ Gute Handlage durch Square Butt Griff
+ Trommellauf gleichmäßig, keine spürbaren Unterschiede beim spannen des Hahns
+ Keine Probleme beim Öffnen und Laden der Trommel
Gesamtpunkte von 6 möglichen:
Mod. 36 = 4
Mod. 12 = 6
Mod. 37 = 6
Persönliches Fazit:
Das Model 37, als Leichtgewicht, punktet trotz seines kleinen Rahmens durch seinen Square Butt Griff. Dieser verleiht der Waffe eine sehr gute Handlage, die die hohe Rückschlagenergie fast restlos kompensiert.
Das Model 36 hingegen besticht durch seine bessere Präzision. Der Revolver liegt beim Zielvorgang sehr ruhig in der Hand, kompensiert allerdings nicht, trotz seines Schwergewichts, die erstehende Rückschlagenergie. Ich führe das auf den Round Butt Griff und den J-Rahmen zurück.
Das Model 12 hat den Vorteil des größeren Rahmens. Dieser hat natürlich eine bessere Handlage und lässt somit alle anderen Schwierigkeiten nichtig werden. Die schlechte Präzision der Waffe wird wohl nur für mein Model gelten. Es handelt sich übrigens um eine Waffe der schwedischen Luftwaffe (Drei Kronen am vorderen Rahmen).
Wenn ich nun die Wahl gehabt hätte, so hätte ich mich wohl für ein Modell 36 mit Square Butt entschieden…. aber ich bin ja nicht gefragt worden – und das ist auch gut so.
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