Ende der 1960er Jahre baute der Waffenhersteller Heckler und Koch die Pistole P9. Ausgestattet mit einem Single Action Schloss, wurde die Produktion schon wieder 1970, nach rund 500 hergestellten Modellen, eingestellt und es folgte die Pistole P 9S. P= Pistole; 9= 9 Patronen Magazinkapazität; S= Selbstspanner.
Ausgestattet mit einem Polygonlauf, einem Rollenverschluss (ähnlich dem des Sturmgewehrs G3); Kunststoffgriffstück, einem innenliegenden Schlagstück und einer außenliegenden Vorspannfunktion. Eine Waffentechnik für Pistolen, die alle „Jubeljahrzehnte“ immer mal wieder auftaucht. Eingerichtet wurde die P9S für das Kaliber 7,65mm, 9mm Luger und .45 ACP (Automatic-Colt-Pistol)
Ab 1977 stellt H&K die Produktion der P9S im Kaliber 7,65mm ein. Es folgte die Kalibermodifizierung auf .45ACP. Mit dem, in den Vereinigten Staaten so beliebten Kaliber, kam die Pistole mit einem 7 Schuss Magazin zur Auslieferung. Die Entscheidung für das Kaliber sollte den amerikanischen Markt decken (was auch zu dem Zeitpunkt gelang – vornehmlich mit den Schalldämpferversionen).
Der Produktionszeitraum der Pistolenserie P9 inklusive aller Modifikationen fand von 1970 bis Mitte der 1980er Jahre statt.
Bei meinem persönlichen Schusstest begleitet mich diesmal die Pistole:
Heckler & Koch P 9S; Kaliber 9mm Luger; Baujahr 1972
Technische Daten:
Kaliber: 9mm Luger
Lauflänge: 102mm
Gesamtlänge: 190mm
Gesamthöhe: 140mm
Gesamtbreite: 35mm
Magazinkapazität: 9 Patronen
Gewicht: 880gr.
Besonderheit: Polygonlauf
Verwendung fand die Pistole in zahlreichen Polizeidienststellen im In- und Ausland. Auch Spezialeinheiten wie die GSG 9 führten diese Waffe. Ebenfalls war die P9S als Sportversion, mit längerem Lauf, Zusatzgewichten, Triggerstop und verstellbarer Visierung erhältlich.
Technisch war die P9S in vielen Punkten sehr durchdacht, was sie letztendlich auch in ihrer Zeit zu so einer begehrten Behördenwaffe gemacht hat.
Eine zweifarbig markierte Balkenkornvisierung erleichtert die Zielaufnahme enorm. Eine in rot eingefasste Kimme zeigt einen deutlichen Kontrast zum weiß markiertem Korn. Zumindest bei Tageslicht. In der Dämmerung neutralisiert sich der farbliche Kontrast zum schwarz.
Ausgestattet mit einem innenliegenden Schlagstück, wurde dem Schützen durch einen aus dem hinteren Verschlussteil herausragenden Signalstift angezeigt, in welchem Zustand sich das Schloß befand. Ragt dieser nicht heraus, so befindet sich der Abzug in der Spannabzugsfunktion. War der Signalstift zu sehen oder zu fühlen, befand sich der Abzug in vorgespannter Stellung. Während die Spannabzugsstellung für kleine Hände sehr weit vorn im Abzugsbügel liegt, so befindet sich die vorgespannte Abzugsstellung in guter Erreichbarkeit (Bild 2).
Der seitlich am Griffstück befindliche Verschlussfanghebel kann, bei ge- und entsicherter Waffe auch als Spannhebel verwendet werden. Das betätigen bringt die Abzugsfunktion vom Spannabzug in die vorgespannte Stellung (Bild 3).
Die Sicherung der Waffe wirkt auf den Schlagbolzen. Somit kann die vorgespannte Pistole im gesicherten Zustand gefahrlos abgeschlagen werden. Ein zurückschnellen des vorgespannten Schlagstückes beim Sichern (so wie wir es von den Walther Pistolen seiner Zeit gewohnt sind), erfolgt nicht.
Bei einer Magazinkapazität von 9 Patronen im Kaliber 9x19mm (7 Patronen im Kaliber .45ACP) hat man sich für den Sitz der Magazinhaltevorrichtung am Magazinschacht entschieden. Dieser lässt sich aufgrund seiner Form sehr gut bedienen und verhakt sich trotz seiner Lage nicht in Kleidungsstücken oder Manteltaschen (Bild 4).
Durch den standardmäßig verwendeten Polygonlauf wird ein geringerer Gasdruck- und Reibungsverlust und somit eine höhere Geschossgeschwindigkeit erreicht. Die dadurch ansteigende Geschossenergie wird durch einem im unteren Teil des Verschlusses befindlichen Kunststoffpuffer und dem verwendete Rollenverschluss kompensiert. So soll die Pistole einen wesentlich geringeren Rückstoß erhalten als andere Kurzwaffen in diesem Kaliber.
Nachteilig ist, dass der Kunststoffpuffer in permanenter Qualitätsüberwachung liegen muss. Sobald seine Wirkung nachlässt, wird die gesamte Rückstoßenergie auf den Rahmen gelenkt und der verzögernd wirkende Rollenverschluss kann auf Dauer diesem Druck nicht standhalten. Rahmenrisse sind die Folge. Dennoch muss man sagen, dass die P9S in ihrer Anspruchsprüfung 10000 Schuss fehlerfrei weggesteckt hat. Das hat z.B. die Walther P 38 in „prime“ – Ausführung nicht geschafft. Dort lag der Anspruch bei max. 3000 Schuss.
Das Trennen des Verschlusses vom Griffstück ähnelt dem Model VZOR 52. Auch die Führung des Verschlusses im Griffstück ist der VZOR 52 gleich gehalten.
Zerlegt wird die Pistole, indem der Verschlusshalteblock über einen Mechanismus im Abzugsbügel gelöst wird (Bild 5).
Nun wird der Verschluss ein kleines Stück nach vorn geschoben und komplett nach oben abgehoben. Der Lauf wird ca. 30mm nach vorn gedrückt und mit der Verschlussfeder aus dem Rahmen gehoben. Jetzt muss nur noch der Verschlusskopf mit den Rollen aus dem hinteren Teil des Verschlusses entfernt werden. Dieser wird über eine, seitlich im Verschluss befindliche, Druckraste gehalten. Mit dem hinteren Teil des herausgenommenen Laufes kann dieser eingedrückt werden und der Verschlusskopf löst sich vom Führungsstück. Führungsstück und Verschlusskopf sind dem des Verschlusses des Sturmgewehrs G3 fast identisch. An den langgezogenen Flanken des Laufendes, kann man die Aussparrungen für die Rollen des Verschlusses gut erkennen (Bild 6).
Die Baugruppen der P9S, im zerlegten Zustand, unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Selbstladepistolen (Bild 7).
Für den Schusstest verwendete ich folgende Munition:
Handelsübliche Munition von Speer, Vollmantel, .356/124grain.
Das Schussprogramm für die Pistole sah so wie folgt aus:
5 Schuss durch das Geschwindigkeitsmessgerät
Entfernung ca.1 Meter:
ermitteln der Durchschnittsgeschwindigkeit (V1) und der E1
V1 = 369 m/s (369;365;362;365;365m/s)
E1 = 538 Joule
Entfernung 15 Meter:
- 5 Schuss, Spiegel aufsitzen lassen
- Feststellen der Treffpunktlage. 7 tief.
Abschlussscheibe Entfernung 15 Meter:
- 10 Schuss (nach Haltepunkt Fleckschuss)
Auswertung der Pistole P 9S:
+ Gewicht und Rückschlagenergie sind super ausgewogen
+ Etwas Kräftiger Spannabzug, aber unglaublich guter SA Abzug
+ starre, markierte Visierung, die ein schnelles Zielauffassen zulässt
+ gute Handlage, Griff aber etwas breit für kleine Hände
+ Laden des Magazins erweist sich als leicht
+ Keine Probleme mit der verwendeten 9mm Munition
Gesamtpunktzahl von 6:
H&K P9S = 6
Persönliches Fazit:
Der etwas große Griffumfang lässt sich durch die an der Griffrahmenvorderseite befindlichen Fingerausformungen gut kompensieren. Eine krampfhafte Handhaltung der Pistole ist nicht erforderlich, da der Rückschlag der Waffe absolut minimal ist.
Die Pistole wartet mit einem unglaublich beeindruckend leichten, butterweichen, Single Action Abzugswiderstand auf.
Der Abzugswiderstand findet sich natürlich in der Treffpunktlage wieder (Bild8).
Das Rückstoßverhalten der P9S ist wie beschrieben. Nur ein leichtes rucken ist, aufgrund der Verzögerung durch den Rollenverschluss, zu spüren. Die Bedienbarkeit der Waffe ist sehr gut. Das Fertigladen geht ohne Probleme, auch das Magazin füllen ist ein leichtes.
Bei dieser Pistole handelt es sich wohl um frühes ein Meisterstück aus der Heckler & Koch Waffenschmiede. Aber auch diese Pistole konnte sich über die Zeit nicht durchsetzen. Die Ansprüche stiegen und stiegen. Bleibt nur die Hoffnung, dass weitere Modelle von H&K von dieser Entwicklung etwas abbekommen haben.
Für mich ist die Heckler & Koch P9S seit diesem Test (z.Zt) die beste Gebrauchswaffe in meiner Sammlung.
Kommentar