Nun will ich auch diese Waffe einem Vergleichstest stellen.
In der Reihe meiner persönlichen Schusstests begleiteten mich diesmal die Unterhebelrepetiergewehre Henry 1860 (Hege Replica)
sowie die Winchester 94EA Ausführung TRAILS END (Bild 1).
Die Entwicklung des 1860 Henry Rifle aus der Volcanic Pistol, durch Taylor Henry, kann man wohl aus heutiger Sicht als Meilenstein der Unterhebelrepetierwaffentechnik sehen.
Mehrladevorrichtungen mit schnellem Abruf durch manuelles Repetieren war in der Primetime der Waffenentwicklung schon immer ein Traum.
Taylor Henry ist mit dem Henry Rifle die Erfüllung dieses Traumes gelungen. Die Weiterentwicklung des Henry´s erfolgte über die verschiedensten Winchestermodelle, beginnend mit dem Folgemodell Winchester 1866 (Bild2).
Folgende, grundsätzliche Änderungen wurden vorgenommen (Bild 3):
- Verkürzung der Waffe zur Gewichtseinsparung und besseren Führigkeit (wobei spätere Modelle wieder eine Länge über 105 cm bekamen)
- Änderung der Patronenzufuhr durch Anbringen eines seitlichen Ladefensters zur Ermöglichung des schnelleren Nachladens, des reibungsloseren Patronenzuführens sowie der Verhinderung der Verschmutzung der Patronen
- Anbringen eines Vorderschaftes zum besseren Halt sowie Hitze- und Staubschutz
- Trennung des Magazinrohres vom Lauf, anbringen eines seperaten, geschlossenen Magazinrohres unter den Lauf.
Die Patronenzuführung erfolgte beim Henry und späteren Modellen über die elevations Technik.
Ein nach oben geöffneter Messingblock, der Senkrecht, mit seinem offenen Teil vor dem Patronenlager und dem unterem geschlossene Teil vor dem Magazinrohr stand, wurde durch den Repetiervorgang nach unten geführt. Nun gab der geschlossene Teil das Magazinrohr frei und eine Patrone wurde durch die Zubringerfeder in den offenen Teil des Blockes geschoben. Beim hochführen des Repetierhebels wurde der Block wieder hochgeführt und die Patrone wurde durch den Schlagbolzen samt Auszieherkralle in das Patronenlager geschoben. Nun sorgte die Schlagbolzenstange für den festen Sitz der Patrone im Patronenlager und der Messingblock wurde wieder abgesenkt und nahm die nächste Patrone auf.
Der Hülsenauswurf erfolgte dann fast senkrecht nach oben, was oft zur Folge hatte, dass leere Hülsen wieder in den Auswurf fielen und Ladehemmungen hervorriefen.
Diesen Teil hat man beim 94er Model durch eine Zubringerfeder und durch einen seitlich abgelenkten Hülsenauswurf (angle eject = AE) ersetzt. Dadurch wurde die Patronenzufuhr erheblich verbessert und Ladehemmungen durch zurückfliegende Hülsen (fast) ausgeschlossen(Bild 4 a + b).
Am Ende dieses Weges stand das Gebrauchs - Winchestermodel 1894AE. Viele, bis zu diesem Model führende Veränderungen wurden wieder verworfen, da sich die Einsatzgrundlage der Winchester bis zu diesem Zeitpunkt erheblich geändert hatte.
Am „Trails End“ war eine leichte, führige und zuverlässige Winchester gefordert. Ihr neues Einsatzspektrum fand nun in der Bewaffnung von staatlichen Organen und in der Jagd wieder.
Im direkten Vergleich stehen nun das Henry Rifle und die Wichester 94AE TRAILS END.
Technische Daten des Henry Rifles:
Kaliber: .44-40 Winchester
Lauflänge: 62 cm
Gesamtlänge: 108 cm
Gesamtbreite: 3,5 cm
Gewicht: 4100 gramm
Magazinkapazität: 13 Patronen
Technische Daten der Winchester 94AE TRAILS END:
Kaliber: .45 Long Colt
Lauflänge: 51 cm
Gesamtlänge: 97
Gesamtbreite: 3,5
Gewicht: 2850
Magazinkapazität: 11 Patronen
Zum Schießen verwende ich handelsübliche Munition von Remington und MagTech (Bild 5).
Leistungsdaten der Patrone .44-40 Winchester:
Geschossgewicht : 225grains
Geschwindigkeit (Vo) : 260 m/s
Energie (Eo) : 381 Joule
Entwickelt : Entwicklungsursprung 1860 für das Henry Rifle als .44-40 Henry Rimfire Flat. Gefüllt war die Patrone mit 40grain Schwarzpulver, daher auch die zweite Zahl -40. Die heutige, überarbeitete Version als Zentralfeuerpatrone, fand 1873 durch Winchester statt. Sie wurde dann erstmalig in der Winchester 1873 verwendet. Die Schwarzpulverladung wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch das 1887 entwickelte Nitrozellulosepulver ersetzt.
Leistungsdaten der Patrone .45 Long Colt:
Geschossgewicht : 250 grains
Geschwindigkeit (Vo) : 260 m/s
Energie (Eo) : 570 Joule
Entwickelt : 1872 von Colt (Anfänglich ebenfalls mit ca. 40grain Schwarzpulver geladen - später dann mit NC-Pulver Ladung).
Bei den Patronen haben wir es also mit zwei „Oldtimern“ zu tun, deren Ursprungstreibladung aus Schwarzpulver bestand und deren Leistungsspektrum sich auch heute noch in etwa gleich ist.
Das Schussprogramm für die beiden Unterhebelrepetiergewehre sah so wie folgt aus:
Entfernung 25 Meter (stehend, Freihand):
- 5 Schuss, Spiegel aufsitzen lassen
- Feststellung der Treffpunktlage (Henry Fleck, etwas tief, Winchester Fleck, etwas hoch)
- 5 Schuss nach Haltepunkt
Entfernung 25 Meter:
Je 5 Schuss mit jeder Waffe, stehend Freihand
Winchester TRAILS END gelbe Markierung, Henry rot
Entfernung 25 Meter:
Je 1 Schuss auf eine Coca-Cola Dose* (bzw. bis sie getroffen wurde)
*Ich habe mir diesmal welche aus der Dönerbude an unserer Hauptstraße besorgt und gleich zu Hause aufgesoffen…, damit ich nicht wieder auf dem Schießstand Pullern muss… (man, hab ich die Nacht schlecht geschlafen…und Pullern musste ich auch…)
Auswertung des Henry Rifles:
+ Gewicht und Rückschlagenergie, trotz erheblicher Kopflastigkeit, sind ausgewogen
+ guter, trockener Abzug
+ sehr feine Visierung, die einen präzisen Schuss über größere Entfernungen zulässt
- mäßige Handlage durch fehlenden Vorderschaft und zu hohes Gewicht
+ Repetiervorgang, Modus langsam : OK – Modus schnell mit der richtigen Technik ebenfalls OK
+ Keine Zuführungsprobleme mit der verwendeten Munition
Auswertung der Winchester TRAILS END:
+ Gewicht und Rückschlagenergie sind ausgewogen
- trockener Abzug, aber absolut zu schwergängig
+ ausgezeichnete Fluchtvisierung, die ein schnelles aufnehmen der Ziele zulässt.
+ gute Handlage
+ Repetiervorgang, Modus langsam : OK – Modus schnell mit der richtigen Technik ebenfalls OK
+ Keine Zuführungsprobleme mit der verwendeten Munition
Gesamtpunkte von 6 möglichen:
Henry 1860 : 5
TRAILS END : 5
Persönliches Fazit:
Die Visierungen können nicht unterschiedlicher sein. Verfügt die Henry über eine sehr feine Kimme, die sich noch zusätzlich aufstellen lässt, ist die TRAILS END mit der typischen Fluchtvisierung zu schnellen Zielaufnahme ausgestattet (Bild 6).
Die Präzision der Waffen ist gleichstark. Wobei das Schussbild des Henrys durch seinen Butterweichen Abzug gerettet wird. Die Waffe ist im Anschlag so schwer, das man ohne diesen Abzug wahrscheinlich nur in den Boden schießen würde… Die Winchester hingegen rettet sich bei ihrem Betonabzug durch ihr geringes Gewicht. (Bild 7).
Beim schießen auf die Dosen lag die Henry vorn. Brauchte ich mit der 94er 4 Schuß um die Dose zu treffen, so flog die Dose beim Henry schon beim ersten Schuss (der lag allerdings etwas zu hoch, der zweite lag dann besser). Interessant sind die Ein- und Ausschusslöcher. Die .44-40Win hat im Gegensatz zur .45LC die Dose ziemlich zerfledert. Wobei ich vermute, dass sich das Geschoss zerlegt hat als es auf die unter Kante der Dose und somit wohl auch noch ein Stück auf dem Rahmen eingeschlagen ist (Bild 8).
Das Henry Rifle besticht durch einen satten Sound. Störend wirkt, dass man die Zubringerfeder durch das nach unten hin offene Magazinrohr mit der Handfläche beim repetieren blockiert. Das hat zur Folge, dass die Patronen nicht immer gleichmäßig zugeführt werden. Will man das verhindern, muss man den Lauf nur mit Daumen und Zeigefinger stützen. Durch das hohe Gewicht, schießt sich der Henry wie ein Kleinkalibergewehr, während die Winchester einen Tick herber arbeitet…
Wenn das etwas umständliche Laden, die schlechte Handlage und Patronenzuführung sowie das hohe Gewicht des Henrys nicht wäre…..
Aber was wäre es dann für eine Waffe? Kein Henry mehr und man hätte beim schießen nicht das „Feeling“ wie vor rund 150 Jahren….Eine wirklich tolle Waffe seinerzeit und heute.
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